OPTIMIERT FÜR KLEINTRANSFORMATOREN

Bei Transformatoren mit geringer Nennleistung, an deren Anschlusspunkt im Fehlerfall eine hohe Netzkurzschlussleistung zu erwarten ist, muss ein besonderes Augenmerk auf die Stromwandlerkoordination gerichtet werden. Insbesondere, wenn der Transformator gleichzeitig durch Überstrom- und thermischen Überlastschutz geschützt werden soll.

von Ruedi Hauri Datum 12.06.2018

UMZ Schutz

Liegen die in einer Schaltanlage vorkommenden maximalen Kurzschlussströme und der Nennbetriebsstrom des Schutzobjektes weit auseinander, so ergeben sich Schwierigkeiten mit der Auswahl der Hauptstromwandler. So kann mit kleinen Übersetzungen der Stromwandler zwar optimal im Bereich des Betriebsstromes und somit des Überlastschutzes geschützt werden, allerdings ergeben sich dann Schwierigkeiten bei hohen Kurzschlüssen und der daraus resultierenden Stromwandlersättigung. Umgekehrt ergeben sich Probleme im Bereich kleiner Überlastströme, wenn auf allen drei Phasen Wandler mit hoher Übersetzung zwecks Beherrschung der großen Kurzschlüsse eingesetzt werden. Dieser Problematik kann mit einer phasenselektiven Auswahl und Einstellung der Stromwandler-Übersetzungsverhältnisse entgegengewirkt werden. So wird typischerweise auf den Phasen L1 und L3 eine große Übersetzung zur Beherrschung der Kurzschlussströme und auf der Phase L2 eine kleine Übersetzung zur Beherrschung der Überlastströme verwendet. Aufgrund der unterschiedlichen Übersetzungsverhältnisse kann keine Holmgreenschaltung zur Erkennung von Erdschlussströmen mehr realisiert werden. Der Erdschlussschutz muss also zwingend über einen separaten, vierten Umbauwandler aufgebaut werden. 

WANDLERKOORDINATION

Wie schon erwähnt, muss ein besonderes Augenmerk auf die Koordination der Stromwandler gelegt werden. Beispielhaft sollen die Stromwandler für einen 400-kVA-Transformator im 16-kV-Netz ausgelegt werden. Der zu erwartende Kurzschlussstrom liegt bei 20 kA. Das Schutzgerät mit einer Bürde von ca. 0,2 VA Phase ist im Sekundärkasten der Mittelspannungsschaltanlage eingebaut. Die Länge der Messleitung beträgt ca. 4 m und ist mit einem Leiterquerschnitt von 4 mm2 ausgeführt. Der Kurzschlussschutz wird mit Hauptstromwandlern großer Übersetzung auf den Phasen L1 und L3 erfasst. Diese Wandler sind im Nennstrombereich des Schutzgerätes unter Umständen ungenau oder liefern bei sehr kleinen Betriebsströmen keine Messsignale mehr. Die Auswahl fällt auf Wandler mit den Kenndaten 250A/1A 1VA 5P20. Deren thermischer Grenzstrom liegt bei I1s = 100 x In = 25 kA, womit der Wandler bei einem Kurzschlussstrom von 20 kA thermisch nicht überbelastet wird. Der maximal am Schutzrelais auftretende Strom beträgt 20 kA/(250 A : 1 A) = 80 A. Dieser Wert ist mit den technischen Daten des Schutzgeräteherstellers zu vergleichen. Der effektive Überstromfaktor liegt bei ca. 85,1, womit der Stromwandler auch beim maximal zu erwartenden Kurzschlussstrom nicht in Sättigung geht.

Diese Wandler können auf den Phasen L1 und L3 zur Erkennung von zwei und dreipoligen Kurzschlüssen in isolierten und kompensierten Netzen eingebaut werden. Der minimal messbare Strom liegt bei 3 %–5 % des Wandlernennstromes, was im Beispiel 7,5 A–12,5 A entspricht. Je nach Schutzgerätetyp liegt die minimal mögliche Einstellung des Objektnennstromes für den thermischen Überlastschutz bei 0,1 In, was im Beispiel 25 A entspricht. Damit ist klar, dass mit den 250A/1A–Stromwandlern der thermische Überlastschutz für den 400-kVA-Transformator nicht parametriert werden kann, da dessen Nennstrom auf der 16-kV-Seite 14,4 A beträgt. Der thermische Überlastschutz wird mit einem Hauptstromwandler kleiner Übersetzung auf der Phase L2 realisiert. Dieser Wandler ist im Nennstrombereich des Schutzgerätes sehr genau und liefert bei sehr kleinen Betriebsströmen genaue Messsignale. Für den Hauptstromwandler wird ein Stromwandler mit den Kenndaten 25:1A 5P20 I1s = 20 kA spezifiziert. Aufgrund des kleinen Übersetzungsverhältnisses liegt der thermische Grenzstrom bei
 I1s = 100 x In= 2,5 kA. Hier ist eine Spezialanfertigung des Stromwandlers nötig, damit dieser einem thermischen Grenzstrom von I1s = 20 kA aushalten kann. Der maximal am Schutzrelais auftretende Strom beträgt 20 kA/(25 A : 1 A) = 800 A. Ob die Belastung des Schutzrelais noch zulässig ist, muss mit den technischen Daten des  Schutzgeräteherstellers abgeglichen werden. Wegen des kleineren Übertragungsverhältnisses wird der Hauptstromwandler im Kurzschlussfall in Sättigung gehen und kein vernünftiges Signal liefern. Somit erfolgt bei energiereichen Fehlern keine Anregung der Phase L2. Dies stellt jedoch kein Problem dar, da die Erkennung von Kurzschlüssen über L1 und L3 gesichert ist.

Abb. 1 Schutz für kleine Trafoleistung und großen Netzkurzschlussstrom

PARAMETRIERUNG

Die Anregeschwellen der Überlast-, Überstrom und Hochstromstufe sind nicht phasenselektiv, weshalb immer alle Fehlerarten in einem I-t-Diagramm analysiert werden müssen – vgl. Abb. 1. Das heißt, bei einer eingestellten Anregeschwelle von 2 x In erfolgt eine Anregung beim 25-A-Wandler der Phase L2 ab 50 A undbei den Wandlern mit 250 A der Phasen L1/L3 bei 500 A. Eine Anregung der Überstrom- oder Hochstromfunktion auf L2 kann bei der Parametrierung des Schutzgerätes unterbunden werden.
Als Beispiel kann an dieser Stelle das DIGISAVE RN der Firma NSE AG angeführt werden. Dieses Gerät ermöglicht eine Parametrierung, bei welcher der UMZ-Schutz nur auf eine Anregung in den Phasen L1 und L3 reagiert.

Da der Überlastschutz einphasig arbeitet und immer das Signal mit dem höchsten Momentanstrom auswertet, gibt es keine Überschneidungen mit dem Kurzschlussschutz. Der Überlastschutz kann somit wie üblich eingestellt werden.
Der Überstromschutz in der ersten Stufe, typischerweise eingestellt zwischen
I >= 2...4 x In, muss über beide Wandlerübersetzungen koordiniert werden. In der Praxis wird die Anregung auf den kleineren Wert erfolgen.
Der Hochstromschutz soll bei energiereichen Fehlern bis 20 kA arbeiten und kann entsprechend so ausgelegt werden, dass der Wandler im Anforderungsfall in der Phase L2 gesättigt ist und somit kein Messsignal mehr an den Schutz liefert. Die beiden Wandler der Phasen L1 und L3 können wegen ihres größeren Übersetzungsverhältnisses ihre Wirksamkeit entfalten und eine Anregung in der Hochstromstufe I>> erzeugen.

THERMISCHER ÜBERLASTSCHUTZ

Der Überlastschutz arbeitet mit Hilfe eines thermischen Abbilds mit „Gedächtnis“. Das heißt mit Berücksichtigung der Vorbelastung gemäß IEC 60255-8 bzw. EN 60255-8. Typischerweise werden für die Berechnung des thermischen Abbilds die Effektivwerte des größten Leiterstromes verwendet. Für den Transformatorschutz ist es von Vorteil, wenn zwei thermische Abbilder (Ith1 und Ith2) getrennt eingestellt werden können. Im Gegensatz zu Kurz- und Erdschlüssen treten thermische Überlastungen erst nach geraumer Zeit (einige Minuten) am Betriebsmittel auf und führen zu dauerhaften Beschädigungen.
Um einen Schutz gegen thermische Überlastung zu gewährleisten, kann die Betriebstemperatur von Transformatoren mit Temperaturfühlern überwacht werden. Bei Transformatoren kleiner Leistung fehlen diese Überwachungselemente oft. Bei Einsatz von Temperaturfühlern wird an einem vordefinierten Schwellwert als erste Stufe zunächst eine Warnung abgegeben. Bei Erreichen eines zweiten, höheren Temperaturschwellwertes erfolgt die Abschaltung des Transformators. Dadurch wird einer Zerstörung durch thermische Zersetzung der Wicklungsisolation vorgebeugt.
Bei Öltransformatoren wird mit dieser Methode üblicherweise die Temperatur des Öles in der obersten Schicht überwacht. Hotspots in der Nähe zur Wicklung werden davon nicht erfasst. Bei  Trockentransformatoren erfolgt die Temperaturüberwachung meist durch Sensoren, die an die Oberfläche der Unterspannungswicklung angebracht sind. Diese befinden sich entweder im Kühlkanal der Wicklung – falls ein derartiger Kühlkanal vorhanden ist – oder auf der Innenseite der Wicklung, die dem Kern zugewandt ist. Die Temperaturfühler sind, axial gesehen, im oberen Bereich der Wicklung angeordnet, um den „Hotspot“ der Wicklung zu erfassen.
Entsprechend der zulässigen maximalen Wicklungs- und Öltemperatur werden die Warnungs- und Auslösetemperaturen resp. Schwellwerte eingestellt. Lüfter zur Verbesserung der Kühlung werden, sofern vorhanden, über eine weitere Temperaturstufe zugeschaltet. Deren Schwellwert liegt etwas unterhalb des Temperaturschwellwertes der Warnungsstufe. Sowohl bei Öl- als auch bei Trockentransformatoren vermeidet man aus Sicherheitsgründen, Temperaturfühler direkt in Hochspannungswicklungen (Oberspannungswicklungen) einzusetzen.
Die im vorigen Abschnitt beschriebenen Systeme weisen Nachteile in der Praxis auf. Bei Öltransformatoren haben die Wicklungen und das Öl sehr unterschiedliche Erwärmungszeitkonstanten (einige Minuten bei Wicklungen im Vergleich zu einigen Stunden für das Öl). Deshalb ist mit Hilfe einer Überwachung der Öltemperatur ein wirksamer Schutz der an sich kritischen Heißpunkttemperatur der Wicklungen nicht möglich.
Bei Trockentransformatoren entstehen bei der Temperaturmessung relativ große Ungenauigkeiten durch die unsichere Güte der Ankopplung des Fühlers an die Wicklungsoberfläche. Die genaue Lage des Heißpunktes ist nicht bekannt. Erschwerend tritt die Überlagerung der vom Eisenkern erzeugten Wärme hinzu, welche unabhängig vom Laststrom ist. Dieser Effekt führt bei Teilbelastungen zu irritierenden, viel zu hohen Temperaturanzeigen. Eine direkte Temperaturüberwachung der Hochspannungswicklung (Oberspannungswicklung) ist nicht möglich. Die Hochspannungswicklung kann aber im Vergleich zur Unterspannungswicklung höhere Heißpunkttemperaturen und wesentlich höhere Erwärmungszeitkonstanten, insbesondere bei Gießharztransformatoren, aufweisen. Man kann zwar erreichen, dass die  Warnungs- und Auslösetemperaturschwellwerte an die Heißpunkttemperatur der Hochspannungswicklung angelehnt werden, eine Nachbildung der höheren Erwärmungszeitkonstante ist jedoch prinzipiell nicht möglich. Der Temperaturmessung mittels Sensoren kann ein thermisches Abbild gegenübergestellt werden – vgl. Abb. 2.

Abb. 2 Aufbau Öltrafo und Ableitung thermisches Zweikörperabbild

Diesem thermischen Abbild liegt die Aufgabe zugrunde, eine Temperaturüberwachungseinrichtung für einen Transformator anzugeben, welche das Temperaturprofil innerhalb des Transformators und hierbei insbesondere die kritischen Temperaturen der Wicklungsisolation relativ genau nachbildet – vgl. Abb. 3.

Abb. 3 Erwärmung im Öltrafo und Wirkungsweise thermisches Abbild Ith1 und Ith2

Die mit dem thermischen Abbild erzielbaren Vorteile liegen insbesondere darin, dass mittels der vorgeschlagenen Temperaturüberwachungseinrichtung eine wenig aufwendige, relativ preiswerte und genaue Möglichkeit geschaffen wird, das Temperaturprofil nachzubilden, welches sich innerhalb des Transformators während des Betriebes einstellt. Hieraus lässt sich insbesondere die Temperatur der Wicklungsisolation ableiten. Der Transformator kann rechtzeitig abgeschaltet werden, bevor es zu einer Zerstörung der Wicklungsisolierstoffe infolge thermischer Zersetzung kommen kann. Als einziges Eingabesignal benötigt die Temperaturüberwachungseinrichtung den Laststrom IB des Transformators. Die Hilfsgrößen der „numerischen Nachbildung“ des Transformatortemperaturprofils, wie Erwärmungszeitkonstanten der einzelnen Transformatorbaukomponenten, Wärmeübertragungsflächen zwischen den Baukomponenten und Wärmeübergangszahlen, können vorgängig rechnerisch oder messtechnisch ermittelt und im Schutzgerät implementiert werden. Als vorteilhaft erweist sich zusätzlich, dass auch die Erwärmungszeitkonstante der Hochspannungswicklung (Oberspannungswicklung) in die Temperaturnachbildung einfließt. Die Temperaturnachbildung ist sowohl bei Volllast als auch bei Teilbelastung des Transformators relativ genau.
Falls die nachgebildete Temperatur die vorgegebenen Schwellwerte überschreitet, können bei Verwendung der Temperaturüberwachungseinrichtung Maßnahmen wie die Zuschaltung eines zusätzlichen Lüfters, eine optische und/oder akustische Warnung oder schlussendlich die Abschaltung des Transformators eingeleitet werden. 

 

 

ÜBERSTROMZEITSCHUTZ - Ausgabe 02/18

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