FLEXIBLE ANREGE­VERFAHREN
Eine zuverlässige Anregung bei einem Leitungsfehler ist der elementare Teil einer Distanzschutzapplikation. Um den vielfältigen Anforderungen gerecht zu werden, wurden in die Distanzschutzgeräte von Sprecher Automation einige Innovationen zur sicheren Anregung integriert.
Angesichts neuer Herausforderungen für die Schutztechnik im Zuge der Energiewende und der Integration dezentraler Erzeugungsanlagen ist der Distanzschutz ein zunehmend unverzichtbarer Bestandteil eines Schutzkonzeptes. Eigenschaften wie Reserveschutz oder das im Pendelschutz verwendete Impedanzkriterium lassen sich nicht durch andere Schutzprinzipien ersetzen.
Essenzieller Bestandteil eines Distanzschutzes ist die Anregung mit der Aufgabe, Fehlerzustände im Netz zu erkennen und zu klassifizieren. Sowohl bei Laständerungen als auch bei transienten Vorgängen muss sie phasenselektiv, sicher und stabil arbeiten. Außerdem werden von einer Anregung eine große Reichweite sowie hohe Fehlerempfindlichkeit gefordert.
GRUNDSÄTZE DER WINKELABHÄNGIGENPOLYGONALEN IMPEDANZANREGUNG Z<
Die Z<-Anregung erkennt im Betriebsstrombereich liegende Fehler aufgrund ihres Impedanzbetrags und der Winkellage im Bereich der Leitungsgeraden. Bei sorgfältiger Einstellungder Z<-Kennlinie kann eine hohe Selektivität der Anregung erreicht werden. Ein weiterer Vorteil der Z<-Anregung liegt auch in der Unabhängigkeit der Anregereichweite von der Vorimpedanz der Kurzschlussschleife. Damit ist eine weitreichende Reservestaffelung realisierbar.
Die wichtigsten Merkmale der Z<-Anregung im ergleich zur U-I-Anregung sind:
- weitreichende Unabhängigkeit der Anregeimpedanz von Strom und Spannung
- hohe Grundempfindlichkeit der Einstellung ohne Neigung zu einer Überfunktion
Wird die Impedanzanregung zusätzlich mit einer Überstromanregung ergänzt, kann die Anregesicherheit des Kurzschlussschutzes weiter verbessert werden (siehe unter „Kombinierte Anregungen Z< & />>”).
OPTIMIERTE KENNLINIE DERIMPEDANZ-ANREGUNG Z<
Die winkelabhängige Impedanzanregung Z< von SPRECON-E-P DD6 berechnet und überwacht ständig maximal sechs Schleifen (3 x L-L, 3 x L-E).
Abb. 1 Kennlinie der winkelabhängigen, polygonalen Impedanzanregung Z< mit Impedanzzonen
Neben der Bestimmung der fehlerbetroffenen Messschleifen und der Richtungsbestimmung startet die Anregung auch die Zeitmessung für den Auslösebefehl und steuert ebenso Zusatzfunktionen und Meldungsausgaben. Durch Ausschluss der nicht fehlerbetroffenen Schleifen (Scheinimpedanzen) mit Hilfe zusätzlicher Kriterien wird eine phasenselektive Anregung sichergestellt. Dies ist die Grundlage für eine korrekte Distanzschutzfunktionalität und ermöglicht außerdem die einpolige automatische Wiedereinschaltung (AWE).
Die Kennlinie der winkelabhängigen, polygonalen Impedanzanregung Z< besteht, wie in Abb. 1 gezeigt, aus drei Teilgebieten und zwei Richtungsgeraden mit einstellbaren Winkeln:
- kreisförmiges Gebiet Zs, getrennt für L-L- und L-E-Fehler
- Anregesektor in Vorwärtsrichtung mit den Einstellwerten: Xs, φ1, φ2, Rs, getrennt für L-L- und L-E-Fehler
- Anregesektor in Rückwärtsrichtung mit den Einstellwerten: Xs, φ1, φ2, Rs, getrennt für L-L- und L-E-Fehler
Mit einer auf diese Weise konstruierten Kennlinie lassen sich die Hauptziele der Z<-Anregung erreichen:
- große Reichweite für Kurzschlüsse in Reaktanz-Richtung
- klare Abgrenzung zwischen Last- und Kurzschlussstrombereich
- ausreichende Lichtbogenreserve in Resistanz-Richtung
- Erfassung höherer Fehlerwiderstände
Die Wirkung der Z<-Anregung wird mit dem Überschreiten des Stromeinstellwertes Imin Z< freigegeben, wobei für LL-Schleifen beide Leiterströme einer Schleife diesen Grenzstrom überschreiten müssen. Der mittlere, kreisförmig begrenzte Sektor schließt den Lastbereich aus. Die zwei frei einstellbaren Richtungsgeraden begrenzen den wirksamen Anregebereich in Vorwärts- und Rückwärtsrichtung. Im nicht definierten Anregebereich wirkt nur die ungerichtet eingestellte Endzeit.
Abb. 2 Einstellungsparameter der Z<-Anregung mit SPRECON-E COMM-3 (SPRECON-E ENGINEERINGCENTER)
Für die optimale Anpassung an Netzart, Sternpunktbehandlung und Netzverhältnisse können die folgenden zusätzlichen Einstellungen frei und optional vorgenommen werden: überwachende Schleifen: nur L-E, nur L-L, beide Lastausschnitt: symmetrisch, individuell (asymmetrisch), ohne.
Die Neigung des Anregepolygons entspricht der Einstellung des Neigungswinkels für die Distanzzonen. Abb. 2 zeigt diese Einstellmöglichkeiten in der Konfigurationssoftware SPRECON-E COMM-3.
APPLIKATIONSBEISPIELE FÜR Z<-ANREGUNG
Beispiel: Dezentrale Energieanlagen (DEA) DEA werden aufgrund der Leistungseinspeisung in das übergeordnete Netz sehr oft in der Nähe der Einspeisepunkte, z. B. im MS-Netz, im Stich angeschlossen (Abb. 3).
Der zusätzliche Kurzschlussanteil der DEA beeinflusst in diesem Fall die Hochstromstufe des Überstromzeitschutzes und ist bei deren Einstellung zu berücksichtigen, um eine Überfunktion auf den nachgeordneten Schutzabschnitten zu vermeiden. Bei abgeschalteter DEA kann da gegen die Reichweite der Hochstromstufe sehr stark, bis zu ihrer Unwirksamkeit, reduziert werden.
Als Lösung wird laut der Studie des VDE Verbandes der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V.: „Schutz- und Automatisierungstechnik in aktiven Verteilnetzen – Herausforderungen, Lösungskonzepte, Empfehlungen“ (Kurzfassung), Frankfurt am Main (April 2016), der Einsatz eines Distanzschutzes empfohlen, weil hier eine größere Unabhängigkeit der Fehlerentfernung von der Höhe des Kurzschlussstromes besteht. In Abhängigkeit von Last- und Kurzschlussverhältnissen kann zwischen (U-)I- oder Z<-Anregung bei einem Distanzschutz gewählt werden .Für die spannungsabhängige Überstromanregung gibt es Einstellgrenzen, die durch Leitungs-und Vorimpedanz gegeben sind.
Abb. 3 Verhalten des Überstromzeitschutzes, mit (grün) und ohne (blau) Kurzschlussstrombeitrag der DEA
Im Fall der weit entfernten Fehler, wenn der Kurzschlussstrom durch die Leitungsimpedanz stark begrenzt wird und die Spannung am Einbauort der Schutzeinrichtung aufgrund kleiner Transformatorimpedanz fast vollständig erhalten bleibt, kann nur die Impedanzanregung Z< die entsprechende Empfindlichkeit bieten.
Beispiel: Stationsbezogener Reserveschutz
Aufgrund der Reichweite und Empfindlichkeit eines Überstromzeitschutzes ist er als stationsbezogener Reserveschutz, beispielsweise in einem Transformator-Einspeisefeld, oft nicht ausreichend (Abb. 4). Deswegen gilt auch in diesem Fall der Einsatz des Distanzschutzes als Lösung.
Die Wirkung der Z<-Anregung kann durch Faktoren wie Leitungswinkel der fehlerbehafteten Leitung und Laststrom beeinflusst werden. Der Laststrom der gesunden Abgänge überlagert sich mit dem Kurzschlussstrom und reduziert so den Kurzschlusswinkel. Daher sollte die Wirkung der Z<-Anregung anhand einer Netzberechnung überprüft werden.
Abb. 4 Stationsbezogener Reserveschutz in einem Einspeisefeld
KOMBINIERTE ANREGUNG - Z< & I>>
Um die Anregesicherheit und gleichzeitig dieAnsprechempfindlichkeit des Kurzschlussschutzeszu erhöhen, ermöglicht SPRECON-E-PDD6 die Parallelanwendung von Impedanzanregung (Z<) und Überstromanregung (I>>).
Beispiel:
Bei der Ermittlung der Einstellwerte der Impedanzanregung Z< werden dabei die Eigenschaften einer Schutzanregung, wie Anregeverlässlichkeit und Anregesicherheit, Begriffe laut IEC 448 (International Electrotechnical Vocabulary - Chapter 448) angewendet.
Unter Berücksichtigung der Eigenschaft der „Anregesicherheit im Lastbereich” muss die Anregung den Lastbereich vom Kurzschlussbereich eindeutig unterscheiden können. Dafür ist der kleinste zulässige Ansprechwert des Anregestromes IAL aus den Lastbedingungen mit Gl. 1 zu ermitteln:
Für das theoretische Beispiel werden die folgenden Werte angenommen:
Izul – zulässige Dauerbelastbarkeit der zu schützenden Betriebsmittel ≥ 1000 A
fÜL – Überlastfaktor ≥ 1,3
ftransient – Faktor zur Berücksichtigung von transienten Vorgängen ≥ 1,0
fM – maximaler Messfehler (Schutzeinrichtung einschließlich Messwandler) ≥ 0,9
RV – Rückfallverhältnis der Schutzanregung ≥ 0,95
Mit dem Ansprechstrom IAL aus den Lastbedingungenkann mit Gl. 2 der Betrag für die Anregeimpedanz ZAL unter Berücksichtigung der minimal zulässigen Betriebsspannung berechnet werden:
fUmin – Faktor der minimalen zulässigen Betriebsspannung≥ 0,85
Un – Netznennspannung ≥ 110 kV
Mit Berücksichtigung des maximal zulässigen Lastwinkels Phimax Last und eines Sicherheitsfaktors wird mit Gl. 3 der Anregewinkel PhiAn der Impedanzanregung berechnet:
Phimax Last – maximal zulässiger Lastwinkel ≥ 30°
fs – Sicherheitsfaktor ≥ 0,9
Daraus ergeben sich die folgenden Werte in Tab. 1:
Tab. 1 Ergebnisse der Berechnung von Anregewerten
Für die oben ermittelte kreisförmige Anregeimpedanz ZAL und eine Nennspannung des Netzes( = 1,0) ergibt sich ein Ansprechstrom IAL,Z von 1788,47 A. Mit einer parallel arbeitenden Überstromanregung (I>>), die auf 1520 A eingestellt wird, kann die Ansprechempfindlichkeit um den Faktor 1,18 ≥ 18 % (1788,47 A / 1520 A) verbessert werden (Abb. 5). Das gilt speziell für die Kurzschlüsse mit hoher Restspannung oder kleinen Kurzschlusswinkeln.
Abb. 5 Kennlinie der kombinierten Z< & I>>-Anregung
Bei kleinerer Restspannung (<0,85 Un) und größeren Kurzschlusswinkeln wirkt dagegen die Impedanzanregung empfindlicher als die Überstromanregung.
Bei der Einstellung der o. g. kombinierten Anregung im Distanzschutz von Sprecher Automation wird die Z<-Anregung durch die Überstromanregung nicht beeinflusst.
ZUSAMMENFASSUNG
Die in SPRECON-E-P DD6 implementierten Distanzanregungen sind optimal dafür geeignet, um bei unterschiedlichen Lastverhältnissen und bei unterschiedlichen Netzarten und Sternpunktbehandlungen sicher und hochempfindlich zwischen Betriebs- und Fehlerzustand zu unterscheiden. Durch den flexiblen Einsatz der kombinierten Anregung, bei der zum Beispiel die Impedanzanregung Z< mit der Überstromanregung I>> parallel arbeiten, erweitern die Geräte der SPRECON-E-P Serie die bisher marktüblichen Möglichkeiten zur Erhöhung der Anregesicherheit und Anregeempfindlichkeit des Kurzschlussschutzes.